Alexa Eberle
„Janusz. Janusz. Janusz. Janusz …“
Stellen Sie sich vor:
Pauken erklingen in dumpfen Tonfolgen, eine Mundharmonika mischt elegische Klänge dazu, der
Theatervorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf eine dunkle Bühne. Schemenhaft auszumachen:
zehn, zwanzig, dreißig — vielleicht ein paar mehr — Gestalten kauern auf dem Boden; die Körper
vornübergebeugt, die Köpfe nach unten gerichtet.
Direkt physisch spürbar ist die hochkonzentrierte Anspannung.
Wie auf ein unsichtbares Kommando hin formen die Gestalten einen flüsternden Klangteppich: „Janusz. Janusz. Janusz. Janusz …“
Über dieses prägnante Flüstern lagert sich, aus dem Off erklingend, die Stimme Korczaks:
„Ich fordere die Magna Charta Libertatis,
als ein Grundgesetz für das Kind.
Vielleicht gibt es noch andere —
aber diese drei Grundrechte habe ich herausgefunden:
1. Das Recht des Kindes auf seinen Tod,
2. Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag,
3. Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist.“
Das geschilderte Szenario stellt die Eröffnungssequenz von Siegfried Steigers Theaterstück Korczak. Ein
Konfrontationsspiel in sechs Teilen. Im Jahr 1991 wurde es vom Experimentellen Theater Günzburg
uraufgeführt. Ich war damals neunzehn Jahre alt — und eine der schemenhaft auszumachenden Gestalten.
Unzählige Proben hatte ich bis dato miterlebt, unzählige Male hatte ich dieses „Janusz“-Flüstern und die
Forderung nach der Magna Charta Libertatis gehört.
So etwas prägt — zweifellos, nachhaltig das Leben — mein Leben als Theatertrunkene, als Erzieherin, als
Film- und Kulturvermittlerin, als Vorstandsmitglied der Deutschen Korczak-Gesellschaft — als Mensch.
Danke, Janusz!